Fünf erfolgreiche Festivals liegen hinter uns – ein sechstes steht vor der Tür. Zeit für zwei Zwischenfragen: Was ist erreicht? Und wo soll es hingehen?
Erreicht ist viel, und von Mal zu Mal wurde es mehr. Als Kultur vom Rande im Jahr 2000 erstmals im Zirkuszelt auf dem Bruderhausgelände am Rand der Reutlinger Altstadt die Bühne betrat, war es ein großes Wagnis: Würde es gelingen, den Bürgern der ehemaligen freien Reichsstadt nahezubringen, dass auch Menschen mit Behinderung manchmal Talente besitzen, bei denen es sich lohnt, sie im Scheinwerferlicht zu betrachten? Dass sie Geschichten darstellen, Gefühle erregen, Begeisterung wecken können – ohne dass Mitleid oder Voyeurismus bei der Betrachtung im Vordergrund stehen?
Das Experiment gelang. Die vorherrschende Reaktion: Ermutigung! Bereits zwei Jahre darauf folgte auf den zarten Beginn der nächste mutige Schritt: 2002 das Festival mit dem Motto “Ein Fest für die Augen”. Das Zusatzprogramm rund um die abendlichen Gastspiele wuchs, ebenso die Kooperationen mit Kulturschaffenden in der Stadt. Gleichzeitig wurde eine Grenze deutlich: Der immense Aufwand und Einsatz, mit dem alle Beteiligten ans Werk gehen, lässt sich nur alle drei Jahre aktivieren.
Die nächsten Schwerpunkte lagen ebenfalls auf den menschlichen Sinnen: 2005 “Ein Fest für die Ohren”, 2008 dann “Ein Fest für Hände und Füße”. Und mit jedem Mal rückte die besondere Kultur vom Rand der gesellschaftlichen Wahrnehmung ein Stück weiter ins Bewusstsein der ganzen Stadt hinein. Folgerichtig wagte das nächste Festival 2011, mit “Ab in die Mitte!” den Sprung ins Zentrum zu proklamieren. Neue Spiel-Orte kamen ins Geschehen. Als die Stadthallen-Baustelle den Platz für die Festival-Zelte raubte, fanden die Gastspiele eine Bühne mit professioneller Technik im Kulturzentrum franz.K, viele weitere Programmpunkte verteilten sich über die gesamte Innenstadt.
Wo sind wir angekommen? Akzeptanz ist gewachsen, viel Scheu vor Andersartigem verschwunden, ungeahntes Talent erkannt worden. Zahllose Begegnungen und persönliche Kontakte haben Verständnis und Begeisterung geweckt. Mutige Menschen haben Chancen ergriffen: Aus Hobby-Schauspielern einer BAFF-Gruppe entstand ein so erfolgreiches Team, dass das städtische Theater Die Tonne es wagte, mit dem “Theater der besonderen Möglichkeiten” eine eigene Sparte ins Leben zu rufen – inzwischen sogar mit professionellen Werkstatt-Arbeitsplätzen.
“Im gesamten süddeutschen Raum ist das Festival einzigartig“, schrieben unsere regionalen Zeitungen bereits 2005. Längst ist Kultur vom Rande noch mehr: Inspiration für ähnliche neue Festivals zum Beispiel. Und was die Vielfalt des Programms rund um die Gastspiele herum angeht, findet sich inzwischen kaum Vergleichbares. Auch das basale Erlebnistheater, in dem Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf jedes Mal besondere Sinneserfahrungen machen, ist ein Alleinstellungsmerkmal für Kultur vom Rande.
Wir hatten faszinierende Solo-Künstler zu Gast, die mit den Zehen ihre liegende Gitarre zupften oder Breakdance auf Händen und Krücken zeigten. Und wir hatten eine fulminante Zirkus-Show mit der Rekordmenge von 53 Beteiligten auf der Bühne. Und so ziemlich alles, was zwischen diesen Extremen liegt. Was also kann noch kommen?
2014 heißt das Motto “Überall und irgendwo”. Ein Ziel: so nah und so vielfältig wie noch nie mitten in Reutlingen präsent zu sein. In Straßen und Gassen, in Geschäften und Kneipen, auf Bühnen und Plätzen, in Zelten und Palästen, in Festen und Feiern, in Köpfen und Herzen. Zeigen, wie erstaunlich, abwechslungsreich, berührend und begeisternd das Leben ist – ein Leben, bei dem alle dazugehören, jeder mit seinen Talenten und Fähigkeiten.
Feiern Sie mit!